Bericht 1 – Susanne (34 Jahre)

Oh je oh je … jetzt wird es eng: Ich will keinen Hurenausweis haben! Denn ich habe Angst, dass er in falsche Hände gerät, z. B. dass meine Kinder ihn finden. Sie wissen nicht, dass ich anschaffen gehe. Wie sollte ich es ihnen auch erklären? 

Sie fragen schon immer, ob sie mich nicht mal auf der Arbeit besuchen können. Da druckse ich schon immer rum. Sie haben schon längst verstanden, dass Sexarbeit in unserer Gesellschaft negativ angesehen wird. Eine Zeitlang riefen sie auf dem Schulhof immer „Hurenkind“, ohne das Wort zu verstehen. Es war einfach Mode und geriet dann auch wieder in Vergessenheit.

Aber mir sitzt es immer noch im Nacken. Werde ich meinen beiden Kindern irgendwann erklären können, dass Sexarbeit für mich ein guter Job ist? Der mir Freiheiten und Freizeit gibt, um mich um meine Kinder zu kümmern und ich auch noch genügend Geld verdiene, um unser aller Lebensunterhalt zu decken?

Aber ich brauche jetzt diesen Hurenausweis. Offiziell die Anmeldebescheinigung nach dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Ohne diesen kann ich in meinem Berliner Lieblingspuff nicht mehr arbeiten.

Es gibt noch ein bis drei kleinere Bordelle im Berliner Umland, die es mit dem Gesetz nicht so eng nehmen. Noch! Denn der eine Chef hat schon mit uns gesprochen … wir sollen uns registrieren lassen.

Soll ich umsteigen auf Escort? Oder die Kunden zuhause empfangen? Das gefällt mir aus den unterschiedlichsten Gründen überhaupt nicht. Fehlen würde mir auf jeden Fall die Sicherheit im Bordell und die Kollegialität mit den anderen. Austausch und gegenseitige Unterstützung finde ich wichtig.

Aber der Hurenausweise ist ein No Go! Jedes Jahr zur gesundheitlichen Beratung und alle zwei Jahre zur Registrierung. So eine engmaschige Kontrolle und Überwachung gibt es für keine andere Berufsbranche. Was soll ich nur tun?

Bericht 2 – Anna

Ich wollte eine Kollegin zur gesundheitlichen Beratung und Anmeldung nach dem Prostituiertenschutzgesetz begleiten, weil wir das Prozedere und die Infos an andere Kolleginnen weitergeben wollten. Wir dachten: was wir mit vier Augen sehen und mit vier Ohren hören ist sicherer.

Wir sind erfahrene Kolleginnen. Seit vielen, vielen Jahren arbeiten wir als Sexarbeiter*innen. Und wir sind schon von unserem souveränen, selbstbewussten Auftreten nicht verdächtig, dass meine Kollegin von mir abhängig ist, ich sie irgendwie unter Druck setzen geschweige denn zur Prostitution zwingen könnte.

Was ich allerdings vor der Tür der gesundheitliche Beratung erlebte, lässt mich doch nachhaltig daran zweifeln, ob denn die neuen Mitarbeiterinnen dieser neuen Behörde ihre Aufgabe verstehen. In einem aggressiven, beleidigenden und lauten Ton wurde mir mitgeteilt, dass die Informationen zu HIV/STI’s, Schwangerschaft, Drogen und Ernährung immer nur der betreffenden Person übermittelt würden, denn die Begleitperson könnte ja der „Zuhälter“ sein.

Mein Hinweis auf die dazu fehlende Rechtsgrundlage und zudem die Tatsache, dass wir Freundinnen und Kolleginnen seien, führte zu noch mehr Aggression und der Anordnung, dass ich auch sofort den Flur zu verlassen habe und anderweitig warten solle.

Gesetzlich ist dieses Verhalten mit Hinweis auf das ProstSchG und das Grundgesetz nicht zu halten. Soll damit eine unprofessionelle Beratung oder sogar eine Einflussnahme oder Insistieren gegen die weitere Prostitutionstätigkeit verdeckt werden?

Bericht 3 – „Zora“

Ich finde das ganz, ganz schrecklich und kann es nicht glauben, dass es wirklich Politiker*innen gibt, die ernsthaft meinen, uns damit zu schützen. Es ist eine unglaubliche Heuchelei, denn es schützt uns überhaupt nicht, sondern es ist eine absolute Schikane und ein Sieg der ultrakonservativen, klerikalen, antifeministischen Abolitionisten, die unser ganzes Land mit ihrer Hetze gegen alle, die anders sind, platt machen.

Eigentlich wollte ich mich aus Protest überall in Deutschland anmelden, um den Behörden Arbeit zu machen und um zu studieren, wie die Ämter mit uns umgehen – auch aus Neugier, wie die wohl reagieren, wenn da so eine Rentnerin ankommt. Aber nachdem ich gehört habe, wie schikanös die Sexarbeiter*innen auf diesen Ämtern, die sie doch schützen sollen, behandelt werden, zögere ich, ob das so eine gute Idee ist, sich das reinzuziehen.

Meinen Glauben an die Politik hat das jedenfalls ernsthaft erschüttert. Erst mal habe ich nicht vor, mich anzumelden.